"VOCATUS ATQUE NON VOCATUS DEUS ADERIT
Gerufen und nicht gerufen wird Gott da sein."
Inschrift über dem Hausportal
«Im Jahre 1908 liessen Carl Gustav Jung und seine Gattin Emma Rauschenbach dies Haus an heiter beschaulichem Ort errichten.» Diese Zeilen zieren in lateinischer Sprache das Eingangsportal am markanten Turm des Hauses C.G. Jung in Küsnacht. Auf einem Medaillon in Stein gemeisselt, begrüssen sie noch heute die eintreffenden Gäste.
Als C.G. und Emma Jung-Rauschenbach 1907 beschlossen, ein eigenes Haus zu bauen, lebte die junge Familie in Zürich, wo Jung als Oberarzt in der «Irrenanstalt Burghölzli» tätig war. Das Erbe des verstorbenen Vaters von Emma hatte ermöglicht, die Planung eines herrschaftlichen Wohnsitzes an die Hand zu nehmen. In Küsnacht fand das Ehepaar ein für ihren Zweck geeignetes Grundstück am See – gemäss der Vorliebe Jungs nahe beim Wasser. Zusammen mit einem Cousin, dem Architekten Ernst Fiechter, wurde der Bau konzipiert und der künftige Hausherr beteiligte sich massgeblich. Es flossen dabei wichtige Motive aus frühen Imaginationen von Jung ein, die ihn in seinem späteren Leben beschäftigen sollten, so der Vorrang der Bibliothek vor anderen Räumen und der wehrhafte Turm. 1909 bezog die Familie ihr neues Heim an der Seestrasse. Zur gleichen Zeit gab Jung die Kliniktätigkeit auf, richtete in seinem Haus eine Privatpraxis ein und empfing hier Patienten, was in dieser Zeit ein Novum war. So konnte er an seinem Wohnsitz das Familienleben mit der Arbeit und Forschungstätigkeit zeitlebens auf ideale Weise verbinden.
Emma verstarb 1955 und C.G. Jung lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1961 – mehr als ein halbes Jahrhundert – im Küsnachter Haus. Das Anwesen blieb in den Händen der Familie und ging von einer Generation an die nächste. 2002 wurde die «Stiftung C.G. Jung Küsnacht» ins Leben gerufen, die das Haus mit dem Ziel übernahm, den Wohnsitz von Emma und C.G. Jung-Rauschenbach für die Nachwelt zu bewahren. Das Museum Haus C.G. Jung soll diese Idee weitertragen.
"Damals setzte sich die Idee bei mir fest, ich müsse an einem See leben. Ohne Wasser, so dachte ich, könne man überhaupt nicht sein."
Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung
C.G. Jung zeichnete nicht nur für die Planung und Gestaltung seines Küsnachter Hauses, auch Idee und Entwurf des Gartens lagen ihm am Herzen. Nach seinen Vorstellungen schuf er zusammen mit der renommierten Gartenbaufirma E. Mertens’ Erbe eine Landschaft, welche Garten und Gebäude zu einem einzigartigen Ensemble verschmelzen liess. Nahezu unverändert präsentiert sich dieses Gartenreich Jungs auch heute noch.
Von der Seestrasse kommend, eröffnet sich den Besuchenden ein stimmungsvoller Blick auf das Anwesen. Eine kleine Allee mit zwei gepflästerten Fahrspuren führt – flankiert von kegelförmigen Buchsbäumen – hin zum ehemaligen Wohnsitz der Familie Jung-Rauschenbach. Der obere Teil des Gartens unterscheidet sich mit seinen Obstbäumen und Nutzpflanzen vom unteren, dem See zugewandten Ziergarten. Ein traditioneller Senkgarten in englischer Manier ist der verglasten Veranda des Hauses vorgelagert. Dieses Gartenkompartiment mit seinem tiefer gelegenen Rasengeviert, zeigt in seiner Mitte eine ausladende, mit Blumen bepflanzte Henkelvase. Jung liess sich hier an sonnigen Tagen unter Kiefern zur Kaffeestunde nieder. Zum Ufer hin begrenzt links ein zierlicher Gartenpavillon das Grundstück. Jung nannte diesen Ort sein «Cabinettchen am See». Über den Schilfstreifen am See hinweg bietet sich der Panoramablick auf das gegenüberliegende Ufer. Eine Mole führt in den See hinaus und bildet einen kleinen Hafen vor dem Bootshaus. Dies war der Liegeplatz für den Pelikan, Jungs geliebtes Segelboot, und für seine Jolle. Von hier führt ein Kiesweg zum mit Bäumen geschützten, und von Kirschlorbeer umgebenen Steinplatz. An diesem idyllischen Ort – im «Gartenzimmer» – pflegte C.G. Jung während des Sommers zeitweilig auch seine Patienten zu empfangen.